sinn und unsinn ums zeitmanagement

„Planung ist das halbe Leben“, besagt ein altes Sprichwort und trifft anscheinend den Nerv der Zeit. Seit Jahren stehen Ratgeber wie „Getting-Things-Done“ von David Allen, „Das neue 1×1 des Zeitmanagement“ oder „Zeitmanagement für Dummies“ auf den Bestsellerlisten. Und der Bedarf scheint immer noch nicht gedeckt: Gibt man den Begriff Zeitmanagement bei Google ein, bekommt man an die 900.000 Treffer, von Firmentrainings und Seminaren über E-Books bis zu ganzen Blogs. Aber was steckt hinter dem neudeutschen Begriff Zeitmanagement?

 

Sinn und Unsinn ums Zeitmanagement

sinn und unsinn ums zeitmanagementGenerell gehört alles, was dabei helfen soll, Zeit zu sparen oder effektiver zu nutzen, zum Zeitmanagement. Aber wie überall muss man auch hier die Spreu vom Weizen trennen. Wir werden ständig mit neuen Tipps und Tricks zum Zeitsparen versorgt. Manche davon sind nicht nur nebensächlich, sondern auch vollkommen abstrus. Hier eine Kostprobe:
„Manche Dinge lassen sich parallel erledigen, so dass man Zeit spart, ohne in Hektik oder Streß zu geraten. So lassen sich Tätigkeiten kombinieren, die jeweils keine sehr große Konzentration erfordern oder schon automatisch ablaufen, etwa das Zähneputzen unter der Dusche. Vorsicht: kombinieren Sie nichts mit Aufgaben, die jederzeit volle Aufmerksamkeit erfordern oder Gefahrenpotential für einen selbst oder für andere haben. Also nicht beim Treppensteigen lesen oder andere Aufgaben beim Autofahren anpacken. (tippscout.de).“

 

„Ein Handel mit Hoffnungen“

Die Aussage „Zeit ist Geld“ trifft zumindest auf den Markt, der sich rund um das Thema Zeitmanagement gebildet hat, zu. „Ein Handel mit Hoffnungen“ – so beschreibt Zeitforscher und Wirtschaftspädagoge Karlheinz Geißler von der Bundeswehr-Universität München den neuen Markt rund ums Zeit- und Selbstmanagement (Focus „Wie Zeitsparen Zeit raubt“). Dass diese Hoffnungen oft unrealistisch sind, macht sie eher zu noch besseren Verkaufsventilen.

Schauen wir uns mal um: Coffee-to-go, Expresszüge, Schnelllernkurse, Fast Food, 15-Min-Fitnessprogramme. Zeit wird in unserer Kultur als knapper Rohstoff gehandelt: Die Begriffe Zeitdruck, Zeitmangel, Zeitnot drücken diesen Umstand aus. Doch während wir noch verzweifelt versuchen, uns einen Zeitvorrat anzulegen, wird die Zeit immer weniger und zieht noch schneller an uns vorbei. Aus der Suche nach der verlorenen Zeit wird schnell die Suche nach der gewonnenen Zeit.

 

Zeit lässt sich nicht sparen

Michael Ende beschrieb diesen Effekt in seinem Roman „Momo“ bereits 1973: Das Versprechen nach zukünftigem Glück, hier repräsentiert durch „die grauen Herren“, lässt die Menschen glauben, eingesparte Zeit könne ebenso wie Geld für den späteren Bedarf auf ein Konto eingezahlt werden. Bei dem Versuch mehr und mehr Zeit zu sparen, verlieren sie den Blick für das Wesentliche, für die Dinge, für welche sie die Zeit eigentlich einsparen wollten: Die Familie, Freunde, Hobbys, etc.

Zeit ist ein relativer Begriff, abhängig von unserer eigenen Wahrnehmung. Zeit kann „vergehen wie im Flug“ oder sich „wie Kaugummi hinziehen“. Wir können Zeit nicht einfach sparen, sinnvoller ist ein bewusster Umgang mit der Zeit und mit sich selbst. Der Buddhismus hat hierzu den Begriff „Achtsamkeit“ geprägt: die Konzentration auf die Gegenwart, das Hier und Jetzt. Wer der Zeit ihren wahren Wert in Form von Aufmerksamkeit für den Augenblick zugesteht, dem rennt sie auch nicht davon.

 

Sinnvolle Zeitmanagement-Tipps

Im Alltag lässt sich dies sicherlich nicht immer umsetzen. Insbesondere der technische Fortschritt wie die Internet-Echtzeitsuche treibt das Rad der Zeit immer schneller voran. Wer nicht von ihm überfahren werden will, muss einen sinnvollen Umgang mit der ihm zur Verfügung stehenden Zeit finden. Und hier können Zeitmanagement-Tipps durchaus sinnvoll sein. Das heißt, sofern sie realistische Zeitvorgaben und ein realistisches Arbeitspensum, das auf die persönlichen Stärken und Schwächen abgestimmt ist, propagieren. Denn nichts kostet mehr Zeit und Kraft als die Vorstellung, alles schaffen zu können oder zu müssen. Gestehen Sie sich ein, dass Sie nur ein Mensch sind und der Tag weiterhin 24 Stunden hat – und dass der wahre Wert der Zeit in der Aufmerksamkeit liegt, die wir dem Moment schenken. Der beste Zeitmanagement-Tipp stammt daher auch von Michael Ende bzw. seiner Romanfigur Beppo der Straßenfeger:

„Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich.
Man denkt, die ist so schrecklich lang;
das kann man niemals schaffen, denkt man.
Und dann fängt man an, sich zu eilen.

Und man eilt sich immer mehr.
Jedes Mal, wenn man aufblickt,
sieht man, dass es gar nicht weniger wird,
was noch vor einem liegt.

Und man strengt sich noch mehr an,
man kriegt es mit der Angst,
und zum Schluss ist man ganz außer Puste
und kann nicht mehr.

Und die Straße liegt immer noch vor einem.

So darf man es nicht machen.
Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?

Man muss nur an den nächsten Schritt denken,
an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich.
Und immer wieder nur an den nächsten.

Dann macht es Freude; das ist wichtig,
dann macht man seine Sache gut.
Und so soll es sein.“

(Michael Ende, „Momo“, Stuttgart, K. Thienemanns Verlag, 1973)

 

Hier ein paar weitere Zeitmanagement-Tipps, mit denen Sie den größten Zeitdieb – den Stress – im Zaum halten können:

  1. Wenn Sie ständig befürchten, etwas zu vergessen, schreiben Sie am besten alles auf. Wenn Sie die Informationen auf mehrere Hilfsmittel (wie Terminkalender, Post-its, Notizbuch, Outlook-Kalender, Software etc.) verteilen, müssen Sie immer bedenken, dass das Ziel die Übersicht ist.
  2. Priorisieren Sie Ihre Aufgaben nach Dringlichkeit und Rentabilität. Pareto-Prinzip: 20 % der Kunden bringen 80 % Umsatz, 20 % der Arbeitszeit bringen 80 % des Ergebnisses.
  3. Schieben Sie nicht auf: Der Zeitmanagement-Experte David Allen rät, alles was weniger als 2 Minuten beansprucht sofort zu erledigen. Für größere Aufgaben eignet sich die Salami-Taktik: Zerlegen Sie größere Aufgaben in einzelne Handlungsschritte und gehen Sie konsequent vor. Setzen Sie sich selbst Deadlines.
  4. Planen Sie Ihre Zeit sparsam: Lieber zu wenig als zu viel Zeit fest verplanen. Als Richtwert dient die 50-Prozent-Grenze. Auch hier sollten Sie Ihre persönliche Leistungsfähigkeit und Tagesform bedenken.
  5. Planen Sie auch Pausen ein, denn die sind wichtig für Ihre Leistungsfähigkeit. Wir sind keine Maschinen und selbst die brauchen ab und an neue Batterien.
  6. Zeitmanagement ist kein Selbstzweck. Vergessen Sie nie, aus welchem Grund Sie sinnvoller mit Ihrer Zeit umgehen möchten.

Foto: Galina Gostrer

 

1 comment

  1. Burkhard Krupa 8 März, 2010 at 17:11

    Einen kleinen Tipp möchte ich noch hinzufügen, der immens Zeitsparen hilft: Öfter mal NEIN sagen. Das betrifft nicht nur den nach Hilfe schreienden Kollegen, der mit seiner eigenen Zeitplanung nicht klar kommt und nun händeringend jemanden sucht, der schnell hilft. Das betrifft genauso die vielen kleinen Ablenkungen, denen wir täglich ausgesetzt sind. Sei es der Film, den „man gesehen haben muss“ (tatsächlich?) oder das Ereignis xyz, das man auf keinen Fall verpassen darf usw. Es gilt die (oft nicht leicht einzuhaltende Regel): Weniger ist mehr!

Nachricht hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.