GesellschaftWissen

Mehr Freiheit durch bedingungsloses Grundeinkommen?

Bedingungsloses Grundeinkommen und Freiberufler

Lohn ohne Arbeit, Geld ohne Gegenleistung – so populistisch könnte man die verschiedenen Modelle zum bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) zusammenfassen. Aus Sicht der Befürworter entkoppelt das BGE Arbeit von Lohn und damit Wert und Würde eines Menschen von seiner ökonomischen Verwertbarkeit. Die Folge wäre eine fundamentale Umgestaltung des sozialen Sicherungssystems. BGE-Kritiker argumentiert nun vor allem aus der Sicht der angestellt Erwerbstätigen heraus. Aber welche Konsequenzen hätte das Grundeinkommen für Selbstständige und Freiberufler?

Bedingungsloses Grundeinkommen in der Kritik

Bedingungsloses Grundeinkommen und FreiberuflerSowohl politisch eher linke Kreise wie auch konservative Theoretiker haben BGE-Modelle entworfen. Sie unterscheiden sich in Details wie der Höhe des zugestandenen Grundeinkommens und in ihren Strategien zur Finanzierbarkeit. Die linken Modelle zielen zudem in erster Linie auf eine größere Freiheit des Individuums, auf die Unabhängigkeit von Erwerbstätigkeit zugunsten freiwilliger Arbeit. Konservative Ideen wie das „solidarische Bürgergeld“, vorgeschlagen von der CDU, sind eher von der Aussicht motiviert, finanzielle Eigenverantwortung an die Stelle staatlicher Transferleistungen zu setzen.

So unterschiedlich die Zielsetzungen der beiden Lager auch sind, die Konsequenz wäre dieselbe: Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld und Rente würden durch ein bedarfsunabhängiges monatliches Einkommen für jeden Bürger und jede Bürgerin ersetzt. Ein millionenschwerer Unternehmer würde also genau dieselbe Summe vom Staat erhalten wie ein Arbeitsloser. Dabei widerspricht das BGE nicht dem Ideal des Sozialstaats, wie Claus Schäfer, Forscher am WSI (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung) betont: „Auf Basis der gewachsenen europäischen Sozialstaatsidee ist selbstverständlich auch grundsätzlich denkbar, dass die – inzwischen reiche – Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder a priori ein bestimmtes Grundeinkommen als bedingungslose Voraussetzung für individuelle bzw. bürgerliche Autonomie zukommen lässt.“

Derartig radikale Ideen rufen natürlich massive Kritik hervor. Das BGE entbinde Arbeitgeber von der Pflicht, sozial absichernde Löhne zu zahlen, lautet ein Kritikpunkt. Als Folge werde vor allem der Niedriglohnsektor wachsen. Zudem sähen Politiker keine Veranlassung mehr, sich um die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung zu bemühen.

„Das Ende der Arbeit“

Sieht man genauer hin, scheinen dies mehr psychologische und philosophische Probleme zu sein als ökonomische. Viele Kritiker verstehen unter den Begriff „Arbeit“ anscheinend vor allem Erwerbstätigkeit und gehen von der Vollbeschäftigung als Idealzustand aus. Angesichts der aktuellen Umwälzung auf dem Arbeitsmarkt stellt sich allerdings die Frage, ob das Ideal von Vollbeschäftigung, von Erwerbstätigkeit für alle, überhaupt noch zeitgemäß ist.

Der amerikanische Ökonom und Soziologe Jeremy Rifkin prognostizierte bereits 1995 „Das Ende der Arbeit“, so der Titel eines seiner Bücher. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung sagte Rifkin: „[…] Die Computer und Informationstechnik von heute machen immer mehr Menschen ganz überflüssig. Selbst die billigste menschliche Arbeitskraft ist teurer als die Maschine. […] Die kapitalistische Logik sagt, dass technologischer Fortschritt und gesteigerte Produktivität alte Jobs vernichten, dafür aber mindestens genauso viele schaffen. Aber die Zeiten sind vorbei.“

Bisher konzentriert sich die Diskussion um die Veränderung der Arbeitswelt vor allem auf die Nachteile: Unsichere Beschäftigungsverhältnisse werden da aufgeführt, Verlust von Arbeitsplätzen, Anwachsen des Niedriglohnsektors, steigende Arbeitslosigkeit. Doch langsam ist es an der Zeit, die Vorteile der neuen Situation ins Gespräch zu bringen und zu überlegen, wie die Gesellschaft die veränderten Möglichkeiten gewinnbringend nutzen kann. Die Herausforderung ist es, neue Arbeitsumgebungen, nicht Arbeitsplätze, zu schaffen – und Arbeit dabei nicht nur als reine Erwerbstätigkeit zu sehen.

Eine Gesellschaft von Freiberuflern

Rifkin sieht die Chancen vor allem darin, den dritten Sektor, den sozialen Bereich, zu stärken. Anstelle der Angestelltenverhältnisse werden zudem mehr und mehr freiberufliche Kräfte treten – mit Rifkins Worten: Die Arbeitnehmer werden zu Auftragsnehmern. Das BGE käme diesen ökonomischen und sozialen Veränderungen entgegen. Insbesondere der Schritt in die Selbstständigkeit würde erleichtert. Um freiberuflich tätig zu werden, braucht man zunächst einmal Startkapital, mit einem monatlichen geregelten Geldeingang wäre dies gegeben.

Zudem hemmt viele potenzielle Selbstständige die Angst vor temporären finanziellen Engpässen. Bisher hält man sich in solchen Situationen mit Nebenjobs über Wasser oder ist auf Hartz IV angewiesen. Beide Versionen der Absicherung kosten Zeit und Energie, die bei der Hauptbeschäftigung fehlen.

Nun gibt es sicherlich Personen, die in finanziellen Notlagen zur Höchstform auflaufen. Weiß man seine Existenz gesichert und muss nicht um den Broterwerb kämpfen, fällt es den meisten Menschen allerdings leichter, Kreatives zu leisten und auf die Wertigkeit der Arbeit zu achten. Erich Fromm fasst in seiner Schrift zum Grundeinkommen zusammen: „Ein garantiertes Einkommen, das im Zeitalter des wirtschaftlichen Überflusses möglich wird, könnte zum erstenmal [sic!] den Menschen von der Drohung des Hungertods befreien und ihn auf diese Weise von wirtschaftlicher Bedrohung wahrhaft frei und unabhängig machen.“

Das BGE könnte auf diese Weise viele Menschen dazu anregen, sich selbst und ihre Ideen zu verwirklichen, insbesondere Personen, die bisher aus finanziellen Bedenken davor zurückschrecken. Der Gedanke einer Gesellschaft von Freiberuflern – von „Auftragsnehmern“ statt Arbeitnehmern – mag utopisch erscheinen. Viel utopischer als das Beharren auf einer Wiederherstellung der Vollbeschäftigung ist er allerdings nicht.

3 comments

Nachricht hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.