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Die Schönen Künste – schön wertlos?

Geistenwissenschaftler und Selbstständigkeit

In unserer Konsumgesellschaft wird alles ökonomisch wenig Verwertbare höchstens belächelt, im schlimmsten Fall geht es unter. Das scheint auch den Schönen Künsten zu drohen. In der Einkommensskala ganz unten, bei der Arbeitslosenquote ganz oben – ein Studium der Musik-, Theater-, Literaturwissenschaften und Co. ist laut Statistiken finanziell unrentabel. Oft fallen auch die Begriffe Arbeitslosigkeit und Altersarmut. Doch was ist dran an diesen (Vor-)Urteilen?

Geistenwissenschaftler und Selbstständigkeit

Dass es den Geisteswissenschaften oft an Alltagstauglichkeit fehlt, lässt sich nicht widerlegen: Jüdische Studien oder Mittelalterliche Geschichte sind außer zu Forschungszwecken kaum praktisch anwendbar und auch hier wird rigoros gekürzt. Dennoch wimmelt es nur so vor Philologen, Philosophen und Pädagogen: Rund ein Viertel aller Studienanfänger traten im Wintersemester 2006/ 2007 ein geisteswissenschaftliches Studium an. Die Frage „Und was machst du später damit?“ scheinen diese Studenten für sich beantworten zu können. Aber was macht man denn nun damit?

Sind Schöngeister auf einem geistlosen Markt gefragt?

Stellenanzeigen, in denen konkret nach Germanisten, Russisten oder Afrikanisten gefragt wird, gehören zur äußersten Ausnahme. Wer eine Sprachwissenschaft studiert (hat), hat keinen vorgezeichneten Berufsweg wie ein Jurist oder Mediziner, damit aber auch viel mehr Möglichkeiten.

Um aus der Berufung einen Beruf zu machen, bedarf es allerdings an Eigeninitiative. Als Berufsanfänger hat man es oft leichter, wenn dem Studienfach ein Arbeitsmarkt zugeordnet werden kann. Andernfalls muss man flexibel bleiben. Die Flexibilität reicht mittlerweile so weit, dass viele Geisteswissenschaftler in völlig fachfremden Bereichen tätig werden. Das kann die Personalabteilung eines Energiekonzerns sein oder eine Stelle als Sachredakteur bei einem Autohersteller.

Der Arbeitsmarkt hängt zudem von der gesellschaftlichen Entwicklung ab, so sind Ernährungswissenschaftler in Zeiten der Zivilisationskrankheiten gefragter denn je. Doch die Grenze zwischen gefragtem Expertenwissen auf einem Nischenmarkt und vermeintlich unnötigem Fachidiotismus ist wohl eine Frage des Glücks beziehungsweise der Selbstvermarktung. Und da können Geisteswissenschaftler punkten, denn was die persönlichen Kompetenzen wie Durchhaltevermögen, eigenständiges Denken oder Teamgeist angeht, liegen sie weit vor den BWLern. Diese Eigenschaften sind heute mehr gefragt denn je.

Zusatzqualifikationen und Praxiserfahrung sollten aber bei allem Idealismus nicht untergehen. Das Institut Student und Arbeitsmarkt, eine Initiative der Ludwig-Maximilians-Universität in München, will vor allem den Geisteswissenschaftlern den Berufseinstieg erleichtern. So bietet sie zum Beispiel PC- und BWL-Kurse an oder auch Veranstaltungsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit. Für Bachelorstudenten der Komparatistik gehören fünf dieser Kurse sowie zwei Pflichtpraktika zum Studienprogramm.

Berufsaussichten: Akademiker und arbeitslos

Das dunkle Kapitel der Arbeitslosigkeit schließlich nimmt tatsächlich ein ganzes Kapitel in Anspruch. Eine aussagekräftige Statistik speziell für die studierten Geisteswissenschaftler gibt es nicht. In der Sonderauswertung Berufe im Spiegel der Statistik (1999-2007) des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) weist die Gruppe Geisteswissenschaftlichen Berufe eine Arbeitslosenquote von etwa 20 Prozent auf. 95 Prozent der arbeitslos gemeldeten Personen sind Akademiker. Die Unterschiede von Beruf zu Beruf sind jedoch groß: Übersetzer und Dolmetscher liegen mit 30 Prozent ganz oben. Publizisten oder Musiker befinden sich dagegen mit etwa 10 Prozent im normalen akademischen Bereich.

Die Annahme, dass sich Studienfächer mit einem klaren Berufsziel auf dem Arbeitsmarkt besser bewährten, wird hier nicht erfüllt. Die Lösung könnte in der Art des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses liegen. Denn während Übersetzer und Dolmetscher meist eine Festanstellung auf dem überfüllten Arbeitsmarkt suchen, starten Journalisten oder Musiker bereits freiberuflich in die Arbeitswelt. Der Anteil der Selbstständigen und Freiberufler wird in der Studie nicht erfasst.

Selbstständigkeit: der Weg aus der Arbeitslosigkeit und in die Freiheit

Dieser Anteil ist jedoch nicht zu unterschätzen: Mit ca. 20 Prozent ist er doppelt so hoch wie bei anderen Akademikern. Laut Statistik des Instituts für freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg machen die freien Kulturberufe fast ein Viertel aller Selbstständigen aus (Stand Januar 2008).

Das liegt nicht nur an fehlenden Jobangeboten, sondern auch an dem Drang nach persönlicher und künstlerischer Entfaltung – eine Festanstellung kann hier Einschränkung bedeuten. Die Bereitschaft ein eigenes Unternehmen zu gründen, ist hier wiederum höher, wenn dem Studienfach ein breit angelegter Arbeitsmarkt entspricht. Denn es geht weniger um Innovation wie bei den naturwissenschaftlichen Fächern, sondern vielmehr um Perfektion. Geisteswissenschaftliche Unternehmer bieten oft einen ganzen Katalog an Leistungen an, zum Beispiel Redaktion und Veranstaltungsmanagement in einer PR-Agentur.

Die Tatsache, dass sich viele Geisteswissenschaftler aus der Not, also der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen, muss nicht beschönigt werden. Der Beweggrund muss dem Unternehmen nicht schaden. Allerdings sollte man beachten, dass die eigentliche Arbeit, also das Schaffen oft in den Hintergrund rückt. Denn mindestens genauso wichtig ist das Organisationstalent: Buchhaltung, Vermarktung, das Managen der Aufträge. Das Institut für freie Berufe bietet Beratungen für Existenzgründer aller Fachbereiche an. Zu den Leistungen gehören zum Beispiel allgemeine Gründungsberatung, Rechtsberatung und Finanzierungsberatung.

Fazit

Dass die Schönen Künste nicht untergehen werden, stellt allein schon die Anzahl der Studenten sicher. Um sie auch finanziell verwerten zu können, braucht man Geduld und Durchsetzungsvermögen. Allerdings findet auch in der Hochschullandschaft ein Umdenken statt: So werden geisteswissenschaftliche Fächer auf ein Bachelor- und Mastersystem mit mehr Praxisbezug umgestellt. Auch neue Fächerkombinationen wie zum Beispiel Kunst in Verbindung mit BWL werden angeboten. Dass man es als Geisteswissenschaftler auch ganz nach oben schaffen kann, beweist Dr. Mathias Döpfner. Der studierte Germanist, Theater- und Musikwissenschaftler fing als Journalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an und ist mittlerweile Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer AG. Die verzeichnet seit seinem Amtseintritt den höchsten Kontostand ihrer Geschichte.

3 comments

  1. Surftipps August 2014 | Geisteswirtschaft 1 September, 2014 at 21:08

    […] Die Schönen Künste – schön wertlos? – Ihr lieben Geisteswirtschaftler – unterschätzt das Thema Selbstständigkeit nicht! Der Anteil der Selbstständigen und Freiberufler in den Geisteswissenschaften ist fast doppelt so hoch wie bei anderen Akademikern. Laut Statistik des Instituts für freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg machen die freien Kulturberufe fast ein Viertel aller Selbstständigen aus (Stand Januar 2008). […]

  2. Anna 9 März, 2017 at 21:33

    Dass die persönlichen Kompetenzen wie Durchhaltevermögen, eigenständiges Denken oder Teamgeist heute gefragt sind, bezweifle ich. Es wäre natürlich schön, aber an erster Stelle stehen fachliche Kompetenzen. Wenn die Gehaltsvorstellungen auch nicht zu hoch sind, dürfen persönliche Kompetenzen auch dabei sein – eigenständiges Denken aber bitte nicht zu viel.

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